Sportdirektor Michael Allendorf im Interview

Allendorf: Möchte eine Mannschaft,
die als Einheit auftritt
Was sportliche Entscheidungen betrifft, da ist Michael Allendorf der
neue starke Mann bei der MT Melsungen. Seit Saisonbeginn hat der
ehemalige Linksaußen des Handball-Bundesligisten die Position des
Sportdirektors inne. Im Interview spricht der 36-Jährige über seine
Aufgaben, Ziele und Herausforderungen. Und er wirft einen Blick auf
die Auswärtspartie bei der TSV Hannover-Burgdorf (Sonntag, 16.05
Uhr):
Michael, haben Sie sich Ihre erste Saison in neuer Funktion etwas
anders vorgestellt?
Das kann man so sagen. Eigentlich hatten wir eine gute Vorbereitung
hingelegt, sind dann aber denkbar schlecht mit einer deutlichen
Niederlage bei den Rhein-Neckar Löwen in die Saison gestartet. Im
Laufe der Hinrunde haben wir uns gefangen und haben das Jahr
akzeptabel auf Platz sechs abgeschlossen. Über den katastrophalen
Start in diesem Jahr ist ja schon genug geredet und geschrieben
worden. Also ja, meine erste Saison als Sportdirektor habe ich mir rein
sportlich etwas anders vorgestellt.
Mal fernab der Ergebnisse: Wie schwer ist Ihnen der Wechsel
gefallen – eben noch auf der Platte und plötzlich derjenige, der mit
den Ex-Kollegen Verträge aushandelt?
Einerseits war vieles neu für mich, auf der anderen Seite fiel mir der
Wechsel nicht so schwer, weil ich mich schon vor meinem
Karriereende mit anderen Dingen rund um die MT beschäftigt hatte.
Der Verein war und ist mir wichtig. Auf jeden Fall war es der richtige
Zeitpunkt zu wechseln, mir macht die neue Aufgabe viel Spaß, und ich
bin dankbar für das Vertrauen, das ich gerade aktuell erfahre.
Apropos: Als Konsequenz aus der aktuellen Krise und der lauter
gewordenen Kritik hat sich Axel Geerken nun komplett aus dem
sportlichen Bereich zurückgezogen. Was bedeutet dieser Schritt für
Sie und für die Zusammenarbeit mit dem MT-Vorstand?
Es bedeutet, dass ich zusammen mit dem Trainer verantwortlich bin
für das Bundesliga-Team. Natürlich entsteht ein gewisser Druck –
damit kann ich gut umgehen. Zu Profi-Zeiten war das nicht anders. Klar
ist aber auch, dass die Resultate meiner Arbeit erst in zwei Jahren
richtig beurteilt werden können. Was Axel Geerken betrifft: Er leistet
sehr gute Arbeit für den Verein. In organisatorischer und struktureller
Hinsicht gibt es keine bessere Lösung für die MT. Wir haben nun
getrennte Aufgaben, aber natürlich tauschen wir uns aus.
Welche Herausforderungen bringt der neue Job darüber hinaus mit
sich?
Die große Herausforderung ist, in den nächsten Jahren wieder
erfolgreicher zu sein, gute Resultate in der Bundesliga zu erzielen und
im besten Fall mitreißenden Handball zu spielen. Dabei sehe ich mich
als Schnittstelle zwischen Vorstand und Mannschaft. Ich versuche, nah
am Trainer und dem Team zu sein.
Kommen wir noch einmal auf die aktuelle Situation zurück. Einer der
häufigsten Kritikpunkte lautet, dass die Spieler bei der MT
ausgezeichnet verdienen, aber nicht ihre Qualitäten und die richtige
Einstellung aufs Feld bringen. Was halten Sie dem entgegen?
Die Wahrheit ist, dass die Kritik teilweise berechtigt ist. Zur Wahrheit
gehört ebenfalls, dass die Spieler mit guten Verträgen ausgestattet
sind. Und solange Einstellung und Leistung passen, spricht meines
Erachtens nichts dagegen. Ist dem nicht so, müssen wir das
herausfinden und dementsprechend handeln. Veränderungen dieser
Art gehen aber nicht von heute auf morgen.
In den sozialen Medien kommt Trainer Roberto Garcia Parrondo
ebenfalls nicht gut weg.
Manchmal ist es ratsam, Kommentare in den sozialen Medien nicht
sofort auf die Goldwaage zu legen. Ich selbst habe unter Roberto
trainiert und weiß, dass er ein guter Trainer ist. Er hat mehrfach
bewiesen, dass er Mannschaften erfolgreich formen kann. Aber auch
das braucht Zeit, die wir ihm geben werden.
Wohin soll denn nun die MT-Reise mit dem Gespann ParrondoAllendorf gehen?
Mal fernab von höheren Tabellenregionen liegt mir eines besonders
am Herzen: Ich möchte eine Mannschaft, die auf dem Spielfeld als
Einheit auftritt, eine Mannschaft, in der jeder Spieler für den anderen
kämpft. In unserer erfolgreichsten Saison 2015/16, die wir auf vierten
Platz abgeschlossen haben, hatten wir genauso ein Team – auch wenn
auf dem Papier vielleicht nicht die ganz großen Namen aufgetaucht
sind.
Blicken wir auf die nähere Zukunft: Das Auswärtsspiel am Sonntag in
Hannover wird sicherlich kein Selbstläufer, erst recht nicht in der
aktuellen Situation…
So sieht es aus. Wir spielen auswärts, Hannover spielt eine
überragende Runde, und nach fünf Niederlagen in Folge fehlt bei uns
das Selbstvertrauen.
Müssen wir inzwischen auch von mentalen Problemen reden?
Mit Sicherheit. Wenn Erfolgserlebnisse ausbleiben und du dich zum
Teil enttäuschend präsentierst, beginnt das große Zweifeln, dann
triffst du nicht die besten Entscheidungen. Es wird Zeit, dass wir das
ändern. Nur gemeinsam und mit bedingungslosem Einsatz schaffen
wir es aus der Krise.
Welchen Eindruck hat die Mannschaft nach dem Heimspiel gegen
den THW vermittelt?
Die Spieler waren enttäuscht, logisch, das nächste Spiel verloren, auch
wenn der Gegner Kiel hieß. Enttäuscht waren sie auch deshalb, weil
sie speziell in der Abwehr eine gute Leistung geboten haben,
außerdem waren unsere Torhüter sehr gut aufgelegt. Mit einer
besseren Chancenverwertung wäre womöglich mehr drin gewesen. Da
sind wir beim Thema Selbstvertrauen. Wenn du nicht verunsichert
bist, schaffst du es auch, einen Weltklasse-Torhüter wie Niklas Landin
zu überwinden.
Worauf wird es also in der Partie gegen die Recken ankommen?
Es wird auf die Einstellung ankommen. Gegen Kiel hat sie gestimmt.
Außerdem muss die Abwehr so gut stehen wie gegen den THW, und
wer in der Bundesliga erfolgreich sein will, braucht entsprechende
Torhüter-Leistungen. Und die Chancen, die wir uns ja durchaus
herausspielen, müssen wir besser nutzen.
(MK)