Wohnungen können nur in absoluten Ausnahmefällen für Flüchtlinge beschlagnahmt werden
Berlin (DAV). Auf der Suche nach Schutz vor Krieg und Gewalt kommen derzeit viele Menschen nach Deutschland. Eine Unterkunft für sie zu finden bringt manche Städte und Gemeinden an die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit. In Hamburg sollen nun leerstehende Gewerbeimmobilien auch gegen den Willen der Eigentümer als Unterkunft genutzt werden können. Wohnungen zu beschlagnahmen ist hingegen rechtlich sehr schwierig, informiert die Deutsche Anwaltauskunft (www.anwaltauskunft.de).
„Länder, Gemeinden oder Kommunen können Wohnungen nur dann beschlagnahmen, wenn eine Rechtsgrundlage dafür vorliegt“, sagt Rechtsanwalt Thomas Hannemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mietrecht und Immobilien im Deutschen Anwaltverein (DAV). Eine Beschlagnahme greife schließlich stark in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht ein.
Eine Rechtsgrundlage dafür bieten, wenn überhaupt, bislang in erster Linie die Landespolizeigesetze. Sie erlauben es, eine Immobilie zu beschlagnahmen, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Menschen obdachlos würden. Droht Obdachlosigkeit, können Menschen per sogenannter Obdachloseneinweisung in Wohnungen eingewiesen werden, in der Regel jedoch nur für maximal sechs Monate.
Dies erklärt, warum es rechtlich gesehen äußerst schwierig ist, einen Mieter aus seiner Wohnung zu drängen, um einen Flüchtling unterzubringen. Denn mit dem Gesetz soll Obdachlosigkeit vermieden werden. Wenn zwar ein Schutzsuchender untergebracht, aber dafür ein anderer Mieter wohnungslos wird, hat sich an der Gesamtsituation letztlich nichts geändert. „Das Mietrecht schützt Wohnraummieter in besonderem Maße vor Kündigungen“, fügt Rechtsanwalt Hannemann hinzu. „Einem Mieter zu kündigen, damit ein anderer Mieter einziehen kann, ist nicht erlaubt.“
Zum Zusammenleben mit Flüchtlingen gezwungen zu werden, kennen ältere Menschen aus der Nachkriegszeit. So etwas werde heute aber nicht passieren, beschwichtigt der Mietrechtsexperte. „Die Obdachlosigkeit hatte damals eine ganz andere Dimension. Mit der aktuellen Situation in Deutschland ist das nicht vergleichbar“, so Hannemann.
Beschlagnahmt werden kann, wenn überhaupt, nur leer stehender Wohnraum. Aber auch dann müsste zunächst geprüft werden, warum die Wohnung leer steht. Eine vermietete Wohnung zur Unterbringung von Flüchtlingen zu kündigen könnte allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn beispielsweise in einem Zehnfamilienhaus nur noch eine Wohnung vermietet ist, die restlichen neun Wohnungen aber leer stehen. Wäre die eine Wohnung auch nicht vermietet, könnte man in dem ganzen Haus zehn Familien unterbringen. Es könnte dann ausnahmsweise möglich sein, dass der einen Mietpartei der Mietvertrag gekündigt und eine andere Wohnung angeboten wird. Das ist jedoch nur in städtischen Mietwohnungen denkbar.
Eine Immobilie gegen den Willen des Eigentümers als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen, ist aber nur die letzte Alternative. Die Landesregierungen müssen zunächst versuchen, eigene Unterbringungsmöglichkeiten bereitzustellen oder anzumieten. Reicht das nicht mehr aus, suchen die Verantwortlichen in der Regel zunächst den Dialog mit dem Immobilieneigentümer. In vielen Fällen lässt sich so ein Konsens erzielen.
Quelle: Deutscher Anwaltverein
[sam id=66 codes=’allow‘]
Werbung