Wie wir Europameister werden
Was kann es für einen Fußballspieler Schöneres geben, als ein Tor zu erzielen? Purer Erfolg. Besonders in einer Meisterschaft. Gleiches gilt sicherlich für einen Projektleiter, der ein Millionen-Projekt zum Abschluss bringt. Doch was haben beide Situationen gemeinsam? Und was lässt sich daraus ableiten? Vor allem, was nicht? Dieser Artikel zeigt es Ihnen.
Ein Artikel unseres Gastautors Patrick Koglin.
Ziele setzen
Nehmen wir für ein kurzes Gedankenspiel jemanden aus dem Kader der deutschen Mannschaft für die Fußball-Europameisterschaft — beispielsweise Toni Kroos. Sein persönliches Ziel steht klar auf der Agenda — zumindest für diesen Artikel fiktiv: Er will mindestens einen Treffer ins gegnerische Tor erzielen. Davon hängt zudem seine Gehaltsausschüttung ab.
Team-Spirit erzeugen
Was denken Sie? Ist er in der Lage, sich gegen seine Mannschaft durchzusetzen und das Ziel zu erreichen? Ist er in der Lage, alleine gegen elf weitere Spieler zu agieren? Alleine? Gewiss nicht. Also, was kann er tun, um seine Torchancen zu steigern? Natürlich: Er braucht das Team. Alles andere wäre naiv. Das haben Sie und Toni leicht durchschaut. Er schwört seine Mannschaft auf das große Ziel ein. Er motiviert das Team. Schließlich muss er andere überzeugen. Darüber hinaus setzt er emotionale Anreize: „Wie wäre es, wenn wir die komplette Meisterschaft gewinnen?“ Damit zieht er einige seiner Teamkollegen mit. Doch nicht wenige zweifeln: „Wie soll das denn klappen?“
Das ist seine Chance. Nun kommt sein Planungstalent zum Einsatz. Er skizziert, wann, welcher Mitspieler, an welcher Position, in welchem Spiel stehen muss. Daraus geht hervor, wie jeder einzelne Spielzug idealerweise verlaufen muss, damit er zu seiner Torchance kommt. Selbst wissenschaftliche Betrachtungen aus dem Leistungssport und Kalkulationen aus Experimenten fließen mit ein.
Jeder weiß jetzt, was zu tun ist. Gut durchgeplant, oder? Alle sind skeptisch, aber beruhigt. Toni wirkt souverän. Seine Charts und Excel-Sheets machen einen stimmigen Eindruck. Selbst der Trainer lässt sich darauf ein.
Auch Weitblick darf nicht fehlen – der 5-Jahresplan beim Fußball
„Wie soll das zum Gewinn der Europameisterschaft führen?“ — Jetzt muss Toni sein Versprechen einhalten. Gehen wir mit ihm das Gedankenspiel weiter. Er muss natürlich jedes Spiel in dieser Form vorausplanen. Ein verfeinertes Excel-Sheet hilft ihm dabei. Damit kann er genau festschreiben, in welchem Spiel wer, wann und wo den Ball abliefern muss. Er analysiert weitere mögliche Risiken.
Natürlich muss jeder das Beste geben und beim Training erscheinen. Die Spieler, die regelmäßig dabei sind, erhalten Bonuspunkte — ebenso diejenigen, die sich gesund ernähren und auf Alkohol verzichten. Neudeutsch heißt das „Gamification“.
Mit dem Trainer vereinbart Kroos, dass den Spielern das Gehalt in Relation zur erreichten
Bonuspunktzahl bezahlt wird. Eine super Motivation!
Toni erinnert sich an die Frage, die ihm bei der Aufnahme in den Kader gestellt wurde: „Herr Kroos, nun verraten Sie uns zum Abschluss bitte noch, wo Sie sich in fünf Jahren sehen?“
Klar, er will Torschützenkönig in einer großen Meisterschaft werden. Mit seinem Vorgehen ist er auf dem Weg dahin, oder?
Rückblick: Daten und Vergleiche
Die Statistik zeigt, dass im Schnitt einer Europameisterschaft 9,78 Tore im Gesamtwettbewerb erforderlich sind, um Torschützenkönig zu werden. Darauf basierend erstellt sich Kroos seine Meilensteine. Schließlich wurden die meisten Tore bereits in der Qualifikation geschossen. Er plant also, schon in dieser Wettbewerbsphase acht Tore zu schießen. Das Vorhaben unterteilt er in kleinere Abschnitte. Für jedes Spiel definiert er, wie viele Treffer erzielt werden müssen:
- im Spiel gegen die Ukraine: 1 Tor
- im Spiel gegen Polen: 2 Tore
- im Spiel gegen Nordirland: 2 Tore
- im Achtelfinale und im Viertelfinale jeweils ein Tor
Das ergibt seine acht Tore. Anschließend müsste er nur noch zwei Tore im Finale schießen, damit hätte er sein Ziel von zehn Toren auf jeden Fall erreicht.
Nun steht fast die komplette Strategie. Die große Europameisterschaft ist in kleine Etappen unterteilt. Es gibt Ziele, Meilensteine und Koordinationspläne für jeden Spieler.
Was fehlt, ist die Definition, wann welcher Mitspieler ein Tor erzielen muss, damit der Meisterschaftssieg gelingt und er dennoch die meisten Tore erzielt. Er erweitert seine Sheets um ein paar Details und stellt sie den anderen vor. Das Beste dabei ist, dass er nicht einmal die Finanz-Budgets des Fußballbundes belastet. Das freut die Stakeholder.
Was meinen Sie? Wird Toni Kroos sein Ziel erreichen und Deutschland die Europameisterschaft 2016 gewinnen?
Nein?
So amüsant dieses Szenario auch ist — wir wissen alle bereits nach fünf Minuten Nachdenken,
dass weder ein Fußballturnier noch Projekte in dieser Form gewonnen werden können.
Unberücksichtigt bleibt nämlich eines: die Komplexität.
Das ist die Unbekannte bei solchen Vorhaben. Gegen welche Mannschaft wird das Halbfinale stattfinden? Wer fällt gesundheitlich aus? Wie stark sind die gegnerischen Mannschaften? Wie gut ist die eigene Kondition? Welche Strategien verfolgen die Gegenspieler?
Bei jedem Vorhaben, an dem Menschen beteiligt sind, gibt es eine Vielzahl von Unbekannten. Diese können in den seltensten Fällen im Vorfeld aufgelöst werden – selbst bei noch so großer Anstrengung. Das ist wie beim Wetter. Hier versagen regelmäßig schlicht und einfach die Vorhersagen. Was jedoch funktioniert: Man kann sich auf das tägliche Wetter vorbereiten.
Kurzfristige Vorbereitung
Beim agilen Projektmanagement und beim Fußball verhält es sich ähnlich. Damit etwas gelingt, hilft es, kurzfristige Pläne zu schmieden und entsprechende Vorbereitungen zu treffen. Dabei wird alles andere, was nicht zum Erfolg beiträgt, einfach weggelassen.
Hat das Ihr Interesse geweckt? Dann beschäftigen Sie sich doch einmal mit dem Managementrahmen für komplexe Projekte: Scrum. Er verzichtet auf Meilensteine, Budgets und detaillierte Zukunftsplanung.
In der Region Nordhessen bietet sich hierfür ein kostenloser Besuch des „Agile Monday Kassel“
oder bei höherem Invest ein Tagestraining zum Thema Scrum an. Beispielsweise am Freitag, 3. Juni 2016, unter der Leitung von Patrick Koglin in Baunatal.
Weitere Informationen unter: www.kogLean.de und www.agile-monday.de
Anmeldung zum Training bei Eventbrite.