100 Kunstwerke: Time/Bank (174)

Zeitaktien

Was wäre, wenn unser Geld nicht auf Gold, sondern auf Zeit basieren würde? Wenn Zeitaktien oder Zeitanleihen ausgegeben würden, statt einer künstlichen Währung, die nur einen abstrakten Wert hat?

Was wäre, wenn wir nicht Geldscheine, sondern Waren und Dienste tauschen würden, ein Kilo Kartoffeln gegen 10 Minuten Hilfe am Computer? Julieta Aranda und Anton Vidokle gingen solchen Fragen nach und haben einige Utensilien gesammelt und in ihrer Time/Bank ausgestellt. Ich muss bei den Zeitgeldscheinen dort sofort an den Film „Momo und die Zeitdiebe“ denken.

Die Idee des Time-Banking, die auf Konzepten für Alternativwährungen, Mutualismus sowie der Marx’schen Theorie des Arbeitswertes beruht, stellt das Modell einer Tauschwirtschaft dar, bei der die Zeiteinheit als Währung für Dienstleistungen auf Gegenseitigkeit dient. Auf einem Tisch steht ein iPad, man kann „Notes for a time/bank“ hinterlassen und es gibt ein paar Stühle und eine Hängematte, so dass man die Werke in aller Ruhe (sic!) auf sich wirken lassen kann.

Labor for Labor / Labor for Pleasure / Pleasure for Pleasure — Neben den ausgestellten Artefakten gibt es in einem separaten Raum mit leider sehr schlechter Belüftung auch eine Videovorführung (englisch), in der verschiedene Systeme, Ideen und Umsetzungen erläutert werden. So erfährt man dort zum Beispiel von der Owen’schen Kolonie „New Harmony“, deren Versuch leider nach kurzer Zeit scheiterte, und von Paul Glover, der in Ithaca (New York) 1991 eine Zeitbank gegründet hat. Die Währung „Ithaca Hours“, treffenderweise mit „In Ithaca we trust“ beschriftet, wurde von den ortsansässigen Geschäften als Zahlungsmittel akzeptiert.

Zeit als Mittel zur Ausgrenzung — Auch seltsame Befindlichkeiten werden erwähnt, wie Kambodscha, die das Jahr 1975 n. Chr. als Jahr 0 deklarierten, oder Venezuela, das 2007 seine Zeitzone um 30 Minuten verschoben hat, um sich von seinen Nachbarn abzugrenzen.

Kurze Szenen aus „Time Machine“ und Charlie Chaplins „Modern Times“ sollen den Wert der Zeit verdeutlichen, der, einmal verbraucht, unwiederbringlich ist.

Außer der Time/Bank in der Karlsaue haben die Künstler im Ständehaus eine Time/Bank-Konferenz organisiert, auf der man sich über historische Naturalwirtschaften und jüngere Modelle von Tauschsystemen, die nicht auf Geld beruhen, informieren kann.

Julieta Aranda und Anton Vidokle: Time/Bank
eintrittskartenpflichtig
Text und Fotos: Sehfahrer (Sf)

Sehfahrer

Als Amateurfotograf bewege ich mich oft in den Lebensbereichen anderer Menschen. So interessant das ist, so schwierig ist manchmal die Abgrenzung zwischen Neugier und höflicher Distanz. Durch meine Tätigkeit als freier Journalist versuche ich nun, Bild und Sprache zu einer Einheit zu verbinden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte löse zur Spamvermeidung diese Rechenaufgabe (in Zahlen): * Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner