Ein Reiseführer der besonderen Art
Vergeblich wird der Leser in diesem Buch systematische Hinweise zu typischen und allgemein vermarkteten touristischen Attraktionen der Region suchen. Auch die in Reiseführern sonst üblichen Gastronomie-, Buchungs- und Übernachtungsinfos sollte der Urlauber eher den per Internet beziehbaren Touristeninfos oder vor Ort ausliegenden Broschüren entnehmen. Denn Schwerdt wirft einen Blick auf die Gegend zwischen Werra, Meissner und Fulda, der sich von dem des einheimischen Tourismusmanagers grundlegend unterscheidet. Mit seinen Aufsätzen führt er den Gast dieser Region als Entdecker zu geschichtsträchtigen, originellen und kulturgeschichtlich bedeutenden Orten oder auch einfach zu den Naturschönheiten des Landes, die dem pauschalierenden Vollversorgungsurlauber oft genug entgehen.
Es ist eher eine Expedition in ein noch verhältnismäßig unerschlossenes Land, eine Terra Inkognita, über deren Schätze sich oft genug auch die Eingeborenen nicht im Klaren sind. Im wahrsten Sinne des Wortes verlässt Schwerdt in seinen Aufsätzen gelegentlich ausgetretene Pfade. So entdeckt der Expeditionsteilnehmer direkt neben dem Ars Natura die selbst vielen Einheimischen unbekannten Vockeröder Heide von Vockerode-Dinkelsbach. Eine der früher für die Gegend so typischen Wacholderheiden, die damals als Viehhute genutzt und heute meist von Wäldern überwachsen sind. Die Relikte der drittgrößten Munitionsfabrik des Dritten Reiches besucht Schwerdt ebenso, wie die zahlreichen kleinen aber feinen Kirchen des Werra-Meißner-Landes. Der Expeditionsteilnehmer entdeckt vom Aussterben bedrohte Haustierrassen aber auch die ganz alltägliche Dorfkatze, die bei genauerer Beobachtung so manches Geheimnis Preis gibt.
Keine Frage, bei aller Sachinformation steckt meist auch eine gewisse Portion Romantik mit in den im lebendigen journalistischen Stil geschriebenen Aufsätzen. Etwa bei der Expedition zu den Trassen der verborgenen Eisenbahnen, den Seen, die die ehemaligen Braunkohle-Tagebaue überflutet haben oder den Wanderungen durch die Jahreszeiten. Alles in allem ein vielschichtiges Buch mit der einen oder anderen Überraschung, wie beispielsweise der Bericht über ein ländliches Pferdemusical oder die Empfehlung der Göttinger Universitätssammlungen. Und Schwerdt lässt den Besucher dieser Region auch nicht ganz unvorbereitet auf die Einheimischen los. In seinem Vorwort steckt er — mit einem Augenzwinkern — die gelegentlich doch etwas abenteuerlichen Rahmenbedingungen für den Touristen ab und — für einen Buchautor sicherlich ungewöhnlich — überlässt es im Rahmen einer ausführlichen Buchvorstellung von „Der Sohn der Roten Wölfin“ der einheimischen Autorin Cora Friedrichs, den Leser, Einblicke in die Mentalität der Eingeborenen zu vermitteln.
Abwechslungsreich, spannend und informativ ist das mit rund 100 Schwarzweiß-Fotos ausgestattete Taschenbuch, das es mit anderem Cover und weniger Illustrationen auch als E-Book derzeit nur über Amazon zu kaufen gibt. Der eine oder andere Aufsatz aus diesem Buch ist übrigens auch in der NHR veröffentlicht worden. Ebenso wie die auch aus Schwerdts Feder stammenden Geschichten des Bauern Fridolin, die als Taschenbuch und E-Book unter dem Titel „Halloween im Werraland“ ebenfalls bei Amazon erschienen sind. „Durch das Land der wilden Holl“ ist das erste einer geplanten Serie von Reiseführern der anderen Art, die sich voraussichtlich mit Sehenswürdigkeiten und Geschichten vom Grimmsteig befassen werden.
Wolfgang Schwerdt: Durch das Land der wilden Holl.
Expeditionen durch ein Abenteuerland.
Taschenbuch: CreateSpace Independent Publishing Platform 2013, 208 Seiten.
Kindle Edition: Amazon Media EU S.à r.l.