Der Traum vom schnellen Geld

Geld auf der Hand
Quelle: Flickr, Autor: Pictures of Money, Lizenz: CC BY 2.0

Was zu Beginn des Internets in Deutschland unter dem Namen „Nigeria Connection“ bekannt wurde, ist inzwischen ein international aufgestelltes Geschäftsmodell. Längst ist dieses afrikanische Land nicht mehr (unfreiwillig) das einzige Feindbild, aber das Grundprinzip ist geblieben: Ein mäßig deutsch sprechender Einwohner eines Entwicklungslandes will viel Geld transferieren und braucht daher Kontakte in Europa incl. Kontodaten. Überraschenderweise hat er gerade mich als Überträger ausgewählt, was mir natürlich schmeichelt, obwohl ich keine Ahnung habe, wie der Typ ausgerechnet auf mich kommt. Aber egal, mehrere Millionen Euro (oder auch Dollar) sind genug Motivation, um ihm meine Kontodaten zu übermitteln. Was soll schon passieren?

Im Grunde handelt es sich um eine Variante der unzähligen „Make Money Fast“-Angebote. Doch dieses ist um einiges ausgeklügelter, denn es steckt eine Geschichte dahinter, die durchaus wahr sein könnte. Ob es nun Umberto Akalanga ist oder Missis Brown, die ihren Onkel um 10 Millionen Dollar beerbt hat und nun nicht weiß, wie sie das Geld transferieren soll, ist ziemlich egal. Idiotischerweise ist da diese kleine Hürde, dass nämlich das Geld nicht einfach ausgezahlt werden darf, sondern auf ein ausländisches Konto überwiesen werden muss. Das hat der bescheuerte Onkel testamentarisch so festgelegt, wohl als letzte Boshaftigkeit, bevor er ins Jenseits übergetreten ist. Mir als Treuhänder winkt ein bestimmter Prozentsatz davon als Provision, selbst wenn es nur 1 % ist. 1 % von 10 Millionen sind ja auch schon 100.000, was in jeder Währung außer Lira (Gott hab sie selig), Yen und Rubel sicher ein ordentlicher Batzen wäre. Die Tatsache, dass ich gerade mal 500 Dollar als Transaktionsgebühr auf ein Western-Union-Konto einzahlen muss, um an die vielen Moneten zu kommen, ist ja nun wirklich ein Klacks angesichts des Gewinns. Oder?

In den 90er Jahren waren solche eMails noch recht einfach zu identifizieren. Egal wie stichhaltig die Geschichte klang, Wortwahl und Satzbau und sogar teilweise die Rechtschreibung erinnerten stark an Babelfisch oder den später hinzu gekommenen Google Translator. Zu holprig und fehlerträchtig waren die Mails, als dass man sie ernst nehmen konnte. Dennoch gab es sicher auch damals viele Leute, die sich der Faszination des schnellen Reichtums nicht entziehen konnten.

Interessant ist, dass die Mails auch heute noch etwas holprig klingen, obwohl die Übersetzungsqualität in anderen Bereichen (z.B. bei den Phishing-Mails) deutlich zugenommen hat. Es entsteht tatsächlich der Eindruck, dass der Absender aus einem anderen Land stammt. Die verbliebenen Fehler sollen wohl den Eindruck erwecken, dass derjenige sich zwar nach Kräften bemüht, meine Muttersprache zu verwenden, diese jedoch nicht vollständig beherrscht. Zugleich versuchen diese Mails Mitleid zu wecken, denn eine einfache Sprache wird unbewusst mit Minderwertigkeit und Ehrlichkeit gleichgesetzt. Dadurch fühle ich mich im Vorteil, und der Gedanke „was soll mir von diesem bedauernswerten Individuum denn groß geschehen“ ist nicht mehr fern.

Was also passiert, wenn ich die 500 Dollar oder Euro überwiesen habe? Nun, ich habe es nie versucht, denke aber, dass damit die „Transaktion“ endgültig abgeschlossen ist. Und da Western-Union und ähnliche Dienstleister niemals eine Überweisung rückgängig machen, ist das Geld futsch. Aus der Traum von dem Häuschen auf den Bahamas.

Christoph Jüngling

Ich bin seit über 25 Jahren selbständiger Softwareentwickler und IT-Berater. Für die Nordhessen-Rundschau schreibe ich unter anderem über IT-relevante Themen mit der Hoffnung, die Hintergründe auch für Laien verständlich zu machen. Denn besonders in der IT-Welt gilt: "Nichts ist so, wie es scheint."

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