Hinter den Nebeln verborgen

Wolken - CloudsWolken. So deutlich wir sie auch sehen können, bestehen sie doch aus fast nichts. Fliegen wir mit dem Flugzeug durch sie hindurch, streift bestenfalls der Hauch der Erinnerung an das Nebelland unseren Geist. Das Flugzeug lässt sich von solchen metaphorischen Dingen nicht beirren. Doch nicht immer ist das, was man sieht, auch das, was dort in Wahrheit vorhanden ist. Manchmal muss man lernen, die Welt hinter den Nebeln zu sehen. Und nur wenige schaffen den Übergang, wie die Priesterinnen von Avalon.

Was ursprünglich mit wenig Platz anfing (für mehr durfte man monatlich kräftig bezahlen) entwickelt sich langsam zu einer Wolkenschlacht. Dropbox gestand seinen Usern 2 GB zu, die man mit fleißigen Freundschaftswerbungen stückweise erhöhen konnte. UbuntuOne (der Dienst ist inzwischen eingestellt) begann gleich mit 5 GB und versuchte über Musikstreaming weitere Einnahmen zu generieren. Google Drive beinhaltet schon länger 15 GB, und nun legt Microsoft die nächste Runde auf: Aus ursprünglich 7 GB werden nun 15 GB. Die gibt es kostenlos für OneDrive-Nutzer, Office-365-Kunden erhalten sogar 1 TB.

Spätestens nachdem Condoleezza Rice, die ehemalige Ausenministerin der USA, im April 2014 in den Verwaltungsrat von Dropbox berufen wurde, horchten Anwender und Medien auf und verwiesen auf die Risiken der Cloud-Dienste. Rice gilt als Mitverantwortliche für den massiven Ausbau der Überwachungen nach den Anschlägen des 11. Septemer 2001. Dass ausgerechnet sie über Nacht vom Saulus zum Paulus geworden sein soll, will keiner so recht glauben.

Aber auch ohne prominente Gesichter ist die „Cloud“ schlechthin ein kontroverses Thema. Denn was im Vertrauen auf die wolkigen Versprechungen der Anbieter in den Clouds des großen bösen Internets gespeichert wird, ist vielleicht sicher vor Datenverlust auf dem heimischen PC, aber keineswegs sicher vor unbefugtem Zugriff. Es verhält sich damit im Grunde so, als ob man die externe Festplatte mit der Datensicherung einem wildfremden Menschen in die Hand drückt, von dem man bestenfalls das Versprechen bekommt, dass er die Daten nicht anschaut, missbraucht, weitergibt und letztlich immer wenn wir es wollen wieder aushändigt.

Dropbox hatte zwar von Anfang an auf durchgehende Verschlüsselung gesetzt und behauptet, nicht nur die Übertragung zum Cloudspeicher sei verschlüsselt, sondern auch die Daten selbst, während sie auf ihren Servern liegen. Einige Veröffentlichungen bezüglich geloggter Zugriffe auf bestimmte Webseiten lassen daran allerdings Zweifel aufkommen. Nicht nur dass Dateien aufgrund von reinen Behauptungen angeblicher Urheberrechtsverletzungen gesperrt werden (Artikel). Auch ich habe vor einiger Zeit bemerkt, dass meine LaTeX-Dateien (Dateiendung „.tex“) ohne Fehlermeldung einfach nicht in den Dropbox-Speicher gelangten und folglich nicht mit meinem anderen Rechner synchronisiert werden konnten. Mit dem Urheberrecht sollte dies nichts zu tun haben, denn der Text war von mir selbst und auch das Dateiformat ist nichts geheimnisvolles, sondern im wesentlichen Klartext (siehe dazu „Etwas LaTeX gefällig?“ im Blog des Autors)

Vor einiger Zeit ging der Bericht durch das Netz, dass jemand testweise eine Datei mit Links zu einer gerade erst erstellten Website in die Dropbox gelegt hatte, und unmittelbar darauf im Log des Webservers einen Zugriff aus dem Dropbox-Netz verzeichnete. Zweifellos musste die Datei gescannt und die URL überprüft worden sein. Mit der durchgehenden Verschlüsselung der Dateien kann es also nicht allzuweit her sein. Der User „klink“ bringt es im Golem-Forum kurz und knapp auf den Punkt: „NSA-Drive? Nein Danke!“ (18.7.2014, 01:02 h)

Meine persönlichen Ansichten über Cloud-Dienste sind ambivalent. Ich sehe die Vorteile gerade in Verbindung mit mobilen Geräten, aber ich sehe auch die Nachteile, indem ich meine Daten einem Dienstleister anvertraue, der mein Vertrauen möglicherweise zwar verdient, sich jedoch gegen seine Regierung und die Geheimdienste nicht wehren kann.

Daher bin ich konsequent inkonsequent. Ich halte es für wichtig, um die Risiken zu wissen und mit ihnen angemesen umzugehen. Ich warne vor der Cloud, nutze selbst aber Evernote, weil es meine Arbeitsweise unterstützt. Egal wo ich bin kann ich spontane Ideen notieren oder ganze Artikel schreiben (wie diesen). Ich kann Links per eMail an mein Evernote-Konto schicken und dabei sofort mit Schlagworten versehen. Am PC schreibe ich eine Einkaufsliste und auf dem Smartphone im Supermarkt hake ich die Sachen ab, wenn ich sie in den Einkaufswagen lege. Immerhin ist Evernote bezüglich der Verschlüsselung ehrlich zu seinen Kunden: Die Verbindung vom Gerät zum Server ist verschlüsselt, aber die Daten liegen auf den Evernote-Servern unverschlüsselt. Anders könnten sie die zusätzlichen Dienste wie Texterkennung in Bildern oder Indizierung nicht anbieten, sagen sie. Das stimmt sicher, und den Mehrwert nehme ich als Premium-User gerne an, auch wenn die Grenze zwischen lokalem PC und dem Netz immer weiter durchlässig wird.

Mich verwundert es nicht, dass immer mehr Cloudanbieter ihren Kunden immer mehr Speicherplatz kostenlos gewähren. Und wenn Ihr erst alle Eure Musik- und Videodateien in den Cloud-Himmel gelegt habt, dann werdet Ihr merken, dass Daten sehr flüchtig sind, und dann könntet Ihr eines Tages Euer „Blaues Wunder“ erleben.

Undurchsichtig, aber nicht undurchdringlich war einst auch die Grenze zwischen Avalon und dieser Welt, zwischen der Welt der Mysterien und dem, was wir „wirkliche Welt“ nennen. Und für die meisten unter uns werden auch die Mysterien der IT auf ewig im Nebel hinter dem Verstehens verborgen bleiben, so wie es die alten Mysterien für jeden Uneingeweihten schon waren, als Atlantis noch existierte. Doch anders als auf Avalon muss man heute kein Priester mehr sein, um die Mysterien (der IT) zu verstehen.

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Christoph Jüngling

Ich bin seit über 25 Jahren selbständiger Softwareentwickler und IT-Berater. Für die Nordhessen-Rundschau schreibe ich unter anderem über IT-relevante Themen mit der Hoffnung, die Hintergründe auch für Laien verständlich zu machen. Denn besonders in der IT-Welt gilt: "Nichts ist so, wie es scheint."

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