100.000 verbotene Bücher: Germanisten der Uni Kassel bereiten documenta-Kunstwerk vor
Ein Verzeichnis von mehreren zehntausend verbotenen Büchern haben Studierende der Universität Kassel im Auftrag der documenta 14 erstellt. Mit diesen Büchern wird im kommenden Frühjahr in Kassel ein 1:1-Modell des Athener Parthenon behängt.
Die argentinische Künstlerin Marta Minujín plant für die am 10. Juni in Kassel beginnende documenta 14 eine maßstabsgetreue Replik des Parthenon in Athen, die mit 100.000 Büchern verkleidet sein soll; einige dieser Titel waren jahrelang verboten, werden nun aber wieder legal verbreitet, andere werden in manchen Ländern verlegt, sind woanders aber untersagt. Die documenta-Leitung hat das Projekt heute (6. 10.) vorgestellt und wird auf der Frankfurter Buchmesse zu Buchspenden aufrufen; Interessierte können ab dem 20. Oktober Bücher einschicken und sich so an diesem Kunstwerk beteiligen.
Die Entscheidungs-Grundlage, welche Titel in Frage kommen, erstellt unter anderem ein Team von Studierenden unter Leitung der Kasseler Germanistin Prof. Dr. Nikola Roßbach und des Gastprofessors Dr. Florian Gassner: eine Liste mit mehreren zehntausend Werken, die in verschiedenen Ländern oder Regionen und zu verschiedenen Zeiten verboten waren. Dazu zählt beispielsweise die im Dritten Reich verbotene Literatur, aber auch Werke wie Mark Twains „Huckleberry Finn“ oder Lewis Carolls „Alice im Wunderland“. Die Liste soll bis zum 20. Oktober online stehen, wird dann aber fortlaufend ergänzt.
Für die Liste fassen die Kasseler Studierenden vorhandene Indizes zusammen, beispielsweise den Index Librorum Prohibitorum der katholischen Kirche aus dem Jahr 1948 (über 5.400 Titel) oder eine Liste der zwischen 1750 und 1848 in Österreich verbotenen Bücher (rund 33.000 Titel), die in einem Projekt der Universität Wien (Prof. Dr. Norbert Bachleitner) erarbeitet wurde. Ergänzt werden diese Verzeichnisse durch eigene Recherchen. Auch den Abgleich der eingesandten Bücher mit der Liste übernehmen die Kasseler Studierenden.
„Wir unterstützen dieses spannende Projekt sehr gerne mit unserer Expertise“, freute sich Prof. Roßbach. „Es bietet uns auch einen willkommenen Anlass, uns in den Lehrveranstaltungen dem Thema zu nähern.“ So finden zwei Seminare im laufenden Wintersemester zu verbotener Literatur statt. Das Argentinien-Forum der Universität Kassel flankiert das Projekt zusätzlich mit einem argentinischen Tag im Sommersemester 2017.
Die Idee geht auf eine ähnliche Installation Minujíns aus dem Jahr 1983 in Buenos Aires zurück. Für die documenta 14 wird das Kunstwerk als „The Parthenon of Books“ erneut errichtet; es soll ein Zeichen gegen das Verbot von Texten und die Verfolgung ihrer Verfasser setzen. Zum Ende der Ausstellung sollen die Bücher verteilt werden.
Mehr über das Projekt auf der Webseite der documenta 14: http://www.documenta14.de.
Buchspenden sind möglich bis Mitte Dezember, Informationen unter diesem Link:
http://www.documenta14.de/the_parthenon_of_books/donate/de
Quelle: Uni Kassel (JH)