Häschen-Schule: Wer sitzen bleibt, ist Klassenbester
Deutsche Wildtier Stiftung zu Überlebensstrategien der Junghasen auf dem Acker
Hamburg (ots) – Sitzen bleiben ist für Junghasen ein überlebenswichtiges Klassenziel in der Häschenschule. „In der Sasse – einer flachen Mulde auf dem Boden – verharrt jetzt der Feldhasennachwuchs geduckt und möglichst unbeweglich, um seine Fressfeinde nicht auf sich aufmerksam zu machen“, erläutert Dr. Andreas Kinser, Forst- und Jagdexperte der Deutschen Wildtier Stiftung. Denn Füchse und Dachse oder Vögel wie Krähen und Habichte registrieren die kleinsten Bewegungen und schlagen dann zu. Der Osterhasen-Nachwuchs hat viele Feinde. „Nur ein einstelliger Prozentsatz der Junghasen überlebt das erste Jahr“, sagt Dr. Andreas Kinser, der seine Doktorarbeit zum Feldhasen geschrieben hat. Die ersten Lebenswochen für die Population sind entscheidend. Ist das Frühjahr verregnet, erfriert der nasse Nachwuchs in der Sasse.
Doch auch vom Menschen geht eine Gefahr für die Junghasen aus. Alle Jahre wieder vor Ostern bereitet der Landwirt den Acker für die Aussaat vor. Um Mais, Zuckerrüben und Sommergetreide anzubauen, wird jetzt gepflügt, geeggt und gepflanzt. Auf dem Grünland wird der Boden gewalzt und geschleppt. Da hilft Junghasen ihre Strategie des Sitzenbleibens nicht weiter. Unter tonnenschweren Maschinen werden sie zerquetscht und zerstückelt, untergepflügt und von spitzen Zinken zerrissen. Niemand zählt die Opfer unter den Junghasen. „Ihre Zahl geht sicher in die Hunderttausende“, vermutet Andreas Kinser. Acker- und Grünlandflächen verwandeln sich im Frühling zu „Friedhöfen“.
Nicht nur junge Feldhasen fallen der intensiven Ackerbearbeitung zum Opfer. Auch die Gelege von Bodenbrütern wie Rebhühnern, Kiebitzen und Feldlerchen werden durch die Arbeit der Landwirte zerstört. Die gerade geschlüpften Küken geraten unter die landwirtschaftlichen Maschinen. Der Frühling ist die gefährlichste Zeit des Jahres für den Wildtier-Nachwuchs.
Der Feldhase kompensiert die Verluste – noch – durch seine sprichwörtliche Fruchtbarkeit. „Allein in Deutschland gibt es rund drei Millionen Feldhasen“, sagt Andreas Kinser. „In guten Hasenjahren können es im Spätsommer doppelt so viele Tiere sein, die über die Felder hoppeln“, so der Experte der Deutschen Wildtier Stiftung.
Wildtiere finden in unserer modernen Agrarlandschaft immer weniger Versteckmöglichkeiten und Nahrung. Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert daher, dass die Finanzmittel der Agrarpolitik zukünftig vor allem für gesellschaftlich gewünschte Leistungen im Umwelt- und Naturschutz bereitgestellt werden. „Das Produktionsziel ,Artenschutz‘ sollte zukünftig mit einem echten Einkommenseffekt für die Landwirte verbunden sein“, so Andreas Kinser.
PM: DeutscheWildtierStiftung (JH)