Raumsonde Hayabusa2 und Lander MASCOT erreichen Ryugu
Eine 3200 Millionen Kilometer weite Reise liegt hinter der japanischen Raumsonde Hayabusa2 mit dem deutsch-französischen Lander MASCOT (Mobile Asteroid Surface Scout) an Bord. Seit Dezember 2014 reiste die Sonde durchs Weltall, um zuletzt in einem mehrere Wochen währenden Annährungsmanöver am 27. Juni 2018 den erdnahen Asteroiden Ryugu zu erreichen, wie die japanische Raumfahrtagentur JAXA heute bestätigte. Hayabusa2 hält nun im Formationsflug zunächst eine Distanz von 20 Kilometer Entfernung zum Asteroiden und sammelt Bilder und Daten, während sich der Himmelskörper neben der Sonde um seine Achse dreht. Für Anfang Oktober ist die Landung von MASCOT auf der Oberfläche geplant. Dort wird sich der Lander hüpfend über die Oberfläche bewegen, um Messungen an mehreren Orten zu ermöglichen. Die Forscher wollen genauere Einblicke in die Beschaffenheit und den Aufbau erdnaher Asteroiden gewinnen, um diese sehr alten Fragmente des Sonnensystems zu verstehen, Einblick in die Entstehungsgeschichte der Planeten zu gewinnen und nicht zuletzt auch, um mögliche Asteroidenabwehrmissionen effektiver zu planen. Mit der Muttersonde Hayabusa2 ist 2020 sogar die Rückführung von Asteroidenmaterial zur Erde geplant.
„Der Asteroid Ryugu ist für uns ein ideales Forschungsobjekt mit seinen gerade einmal 900 Metern Durchmesser und vielen Artgenossen in der Nähe der Erdbahn“, sagt Prof. Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. „Ungewöhnlich ist die eckige Form, die wir auf den ersten Bildern erkennen.“ Zudem sind Krater und große Brocken auf der Oberfläche sichtbar. „Die wissenschaftlich überraschende Form von Ryugu und seine vielen Krater werden die Auswahl eines geeigneten Landeplatzes für MASCOT spannend, aber auch herausfordernd gestalten“, sagt die Leiterin des MASCOT-Landers, Dr. Tra-Mi Ho vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen. MASCOT wird ganz neue Einblicke in das Material des solaren Urnebels ermöglichen, das seit rund 4,5 Milliarden Jahren auf der Asteroidenoberfläche ruht.
Hüpfen auf einem Asteroiden
Nach aktueller Planung wird MASCOT Anfang Oktober von der Muttersonde ausgeklinkt und bewegt sich dann für mindestens 16 Stunden messend und hüpfend auf dem Asteroiden Ryugu. Dabei kann MASCOT bis zu 70 Meter weit hüpfen und so erstmals an verschiedenen Orten auf einem Asteroiden Messungen vornehmen – eine Premiere für die internationale unbemannte Raumfahrt. Im Inneren der 30 mal 30 mal 20 Zentimeter großen Landesonde mit nur 10 Kilogramm Masse sind insgesamt vier Instrumente eingebaut: Mit einem Radiometer und einer Kamera des DLR, einem Spektrometer des Institut d’Astrophysique Spatiale und einem Magnetometer der TU Braunschweig sollen die mineralogische und geologische Zusammensetzung der Asteroidenoberfläche untersucht und Oberflächentemperatur sowie Magnetfeld des Asteroiden ermittelt werden. Dabei erhält MASCOT durch einen eingebauten Schwungarm die nötige Bewegungsenergie für die Hüpfmanöver auf der Oberfläche.
Asteroid Ryugu und Raumsonde Hayabusa2 (japanisch für Falke) bewegen sich derzeit rund 280 Millionen Kilometer entfernt von der Erde, wobei ein Signal von der Raumsonde zur Erde gut 15 Minuten benötigt. Die ersten Bilder der japanischen Kamera ONC-T (Optical Navigation Camera – Telescopic) an Bord von Hayabusa2 zeigen eine sehr ungewöhnliche Form von Ryugu. Die Wissenschaftler erwarten dadurch nicht immer ganz zum Zentrum gerichtete Gravitationskräfte, wobei die Anziehungskraft des Asteroiden bisherigen Schätzungen zu Folge nur etwa ein 60.000stel der Erdanziehungskraft entspricht. Dazu rotiert Ryugu, der nach einem unter Wasser liegenden Schloss aus der japanischen Mythologie benannt ist, mit einer Achse senkrecht zu seiner Bahnbewegung.
Brocken in kosmischer Nachbarschaft zur Erde
Heute sind mehr als 750.000 Asteroiden bekannt. Nur ein Bruchteil davon, etwa 17.000 Asteroiden, bewegen sich auf elliptischen Bahnen weit ins innere Sonnensystem hinein und kreuzen die Bahnen von Mars, Erde oder sogar Merkur. Rund 1000 von diesen sind erdnahe Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer. Am 3. Dezember 2014 startete die Mission Hayabusa2 vom japanischen Weltraumzentrum Tanegashima mit dem deutsch-französischen Landemodul MASCOT an Bord, um neue Erkenntnisse zum Aufbau und zur Zusammensetzung des primitiven, kohlenstoffreichen und erdbahnkreuzenden Asteroiden (162173) Ryugu zu liefern. Wissenschaftlich steht dabei die Frage im Mittelpunkt, welche Rolle Asteroiden bei der Entstehung und der frühen Entwicklung der Erde und der terrestrischen Planeten gespielt haben. Erforscht werden soll zum einen, ob das Wasser der Erde in Teilen auch von Asteroiden stammen könnte, und zum anderen, wie ein potenziell für die Erde gefährlicher, erdbahnkreuzender Asteroid beschaffen ist, um Abwehrmöglichkeiten zu entwickeln. Gegenwärtig ist allerdings von keinem Asteroiden bekannt, dass er sich auf Kollisionskurs mit der Erde befindet. Asteroiden werden als erdnahe Objekte (NEOs, Near Earth Objects) bezeichnet, wenn Sie sich mindestens bis auf 45 Millionen Kilometer der Erde nähern.
Hayabusa2 wird Ryugu anderthalb Jahre lang aus unmittelbarer Nähe beobachten. Höhepunkte der Mission werden das Absetzen des Landemoduls MASCOT und weiterer Mikrolander sowie beim Kontakt der Hauptsonde mit dem Asteroiden zwei bis drei Entnahmen von Asteroidenmaterial sein. Die Asteroiden-Proben werden 2020 von Hayabusa2 zur Erde zurückgebracht.
Über die Mission Hayabusa2 und MASCOT
Hayabusa2 ist eine Weltraummission der japanischen Raumfahrtagentur JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) zum erdnahen Asteroiden Ryugu. Der deutsch-französische Lander MASCOT an Bord von Hayabusa2 wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und gebaut in enger Kooperation mit der französischen Raumfahrtagentur CNES (Centre National d’Etudes Spatiales). Die wissenschaftlichen Experimente an Bord von MASCOT sind Beiträge des DLR, des Institut d’Astrophysique Spatiale und der technischen Universität Braunschweig. Betrieb und Steuerung des MASCOT-Landers und seiner Experimente erfolgen durch das DLR mit Unterstützung der CNES und in kontinuierlichem Austausch mit der JAXA.
Das DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen entwickelte federführend zusammen mit CNES den Lander und testete ihn. Das DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik in Braunschweig war für die stabile Struktur des Landers zuständig. Das DLR Robotik und Mechatronik Zentrum in Oberpfaffenhofen entwickelte den Schwungarm, der Mascot auf dem Asteroiden hüpfen lässt. Das DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin steuerte die Kamera MASCAM und das Radiometer MARA bei. Überwacht und betrieben wird der Asteroidenlander aus dem MASCOT-Kontrollzentrum im Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) am DLR-Standort Köln.
PM: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) (HJ)