Die documenta fifteen in Kassel

Die documenta fifteen in Kassel
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Mit der 2022er Veranstaltung der fünfzehnten documenta – offizieller Name (italic)documenta fifteen(/italic) – kehrt vor-pandemische Normalität in den deutschen und internationalen Kunstbetrieb zurück. In Kassel öffnet die weltweit wichtigste Ausstellung für zeitgenössische Kunst turnusgemäß ihre Pforten vom 18. Juni bis zum 25. September 2022.

Mit ihrer neuen Leiterin Dr. Sabine Schormann ist die documenta vom Konzept der Außenstellen der 2012er dOCUMENTA 13 und vom 2017er Konzept der Parallelveranstaltung der documenta 14 an zwei regional getrennten Ausstellungsorten abgerückt. War in 2017 neben Kassel Athen gleichberechtigter Veranstaltungsort der documenta 14, ist die diesjährige Ausstellung im Museum Fridericianum und an 31 weiteren Standorten fest im Kasseler Stadtgebiet verortet.

Woke Multimedialität
In der diesjährigen documenta fifteen stehen, nach den Vorschauen auf der offiziellen Website zu urteilen und der politischen Tradition der documenta folgend, aktuelle woke Themen im Fokus. So werden beispielsweise in der documenta Halle zwischen Staatstheater und Karlsaue Installationen zur Milchwirtschaft, Globalisierung, Ernährungspolitik und Klimawandel gezeigt.

Man darf gespannt sein, welche Rezeption die woke Ausrichtung der documenta fifteen in Gebrauchskunst und Innenarchitektur finden wird. Carolina Karlsson beschrieb im vergangenen Jahr in Wohntrends 2021 einen neuen Trend zum Minimalismus, der Konzepte aus den 1960er Jahren aufgreift, Konzepte, die sich auf der documenta III von 1964 in Gebrauchskunst von Stühlen bis zu Schreibmaschinen wiederfanden.

Minimalismus und woke Ansätze sind taugliche Weggefährten und mit der Vergabe der diesjährigen Ausstellungskuration nach Südostasien wurde eine gestalterische Tradition abseits des Konsumimperativs für Kassel gewonnen.

Zeitgenössische Kunst zwischen Revolte, Mahnung und Kitsch
Eine documenta ist ohne eine politische Dimension nicht möglich. Die erste documenta widmete Arnold Bode 1955 der Aufarbeitung der in der NS-Zeit als „entartete Kunst“ diffamierten Abstrakten Kunst der Zeit zwischen den Weltkriegen.

Die documenta IV fiel 1968 mit der Klimax der Studentenproteste zusammen, bewegte sich hingegen in der Schwerpunktsetzung mit Pop- und Op-Art zwischen politisch harmloser Gefälligkeit und Kitsch. Der Protestgeist der Zeit manifestierte sich Gegenaktionen der Happening- und Aktionskünstler, allen voran Aktionen Wolfgang Vostells und Jörg Immendorffs.

Josef Beuys‘ Aktion „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ materialisierte auf der documenta 7 von 1982 das künstlerische Echo der grünen Bewegung. Ein Jahr später zogen Die Grünen erstmalig in den Bundestag ein.

Internationalismus in der künstlerischen Leitung
Mit einstimmigem Entscheid der Findungskommission wurde im Februar 2019 das indonesische Künstlerkollektiv ruangrupa (sinngemäße Übersetzung: „Raum der Kunst“) mit der künstlerischen Leitung der documenta fifteen beauftragt. Die New York Times nannte es eine Neuerung, dass mit ruangrupa erstmalig Künstler anstelle hauptberuflicher Kuratoren die 2022er Ausstellung organisieren.

Das Großkonzept für die documenta entlehnt ruangrupa der Kultur der Organisation dörflicher Kollektive und der Allmende in ihrer indonesischen Heimat. Gemeinsame Ressourcennutzung und Sorge um das Gemeinwohl manifestieren sich in Indonesien baulich in der (italic)lumbung-Architektur(/italic), der Architektur von gemeinsam genutzten Reisscheunen.

Zur Begleitung der Ausstellungsvorbereitungen wurde eine virtuelle internationale lumbung-Gemeinschaft geschaffen. In der Pressemitteilung vom 18. Juni 2020 zu den ersten Mitgliedern dieser lumbung-Gemeinschaft finden sich nach Zeitzonen geordnet Künstler aus Afrika, Asien, Europa und Mittelamerika.

NHR

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