Bettelnde Jungvögel am Boden nicht einfach mitnehmen

Bettelnde Jungvögel am Boden nicht einfach mitnehmen
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NABU Hessen warnt: Falsche Tierliebe schadet dem Vogelnachwuchs

 

Wetzlar – Mit dem Frühling nimmt auch die Brutsaison an Fahrt auf. Inzwischen kümmern sich Amseln und Meisen um ihren ersten piependen Nachwuchs und suchen in Gärten, Parks und auf anderen Grünflächen nach proteinreichem Futter, etwa nach Würmern und Insektenlarven. Den NABU erreichen im Frühjahr viele Anfragen von besorgten Tierfreund*innen, die scheinbar verlassene Jungvögel entdecken. „Unser Rat lautet eigentlich immer: Erst beobachten, dann eingreifen. Die unerfahrenen und im Fliegen noch ungeübten Vogeljungen wirken auf den ersten Blick oft hilflos. Sie aufzunehmen ist jedoch meist falsch verstandene Tierliebe“, sagt Gerhard Eppler, Landesvorsitzender des NABU Hessen. Der Biologe rät: „Lassen Sie die halbflüggen, befiederten Jungvögel, so genannte Ästlinge, erstmal sitzen. Sollte nach 20 Minuten kein Elternvogel auftauchen, liegt es vielleicht daran, dass wir zu dicht dran sind und sie sich nicht zu ihren Jungen trauen. Also lieber noch etwas Abstand nehmen und weiter abwarten.“ Tatsächliche Hilfe benötigen befiederte Jungvögel nur, wenn nach mehreren Stunden immer noch keine Altvögel in seiner Nähe zu sehen sind.

 

Bettelrufe halten den Kontakt zu den Eltern

Damit keine Tiere aus der Natur versehentlich entnommen werden, die topfit sind, stellt der Landesvorsitzende klar: „Das herzzerreißende Rufen von scheinbar verlassenen Jungvögel in Gärten und im Wald sind keine Hilfe- sondern Bettelrufe. So halten die Vogeljungen Kontakt zu ihren Eltern. Sie halten sich in der näheren Umgebung ihres verlassenen Nests auf und werden dort weiter von den Altvögeln gefüttert.“ Greift der Mensch in dieser sensiblen Phase ein, unterbricht er die Bindung zwischen Alt- und Jungvogel. Nur wenn Jungvögel an gefährlichen Orten wie Straßen und Gehwegen sitzen oder akut von Katzen bedroht sind, sollte man sie vorsichtig aufheben und ins nächste Gebüsch setzen. Anders als bei Rehkitzen nehmen Vogeleltern ihre Jungen wieder an, wenn diese von einem Menschen berührt wurden.

 

Wenn nötig Helfen – aber richtig

„Wer helfend eingreifen will oder muss, sollte sich immer bewusst sein, dass Jungvögel Wildtiere sind, denen nur in einem Notfall geholfen werden darf. Ansonsten wäre dies ein Verstoß gegen das Naturschutzgesetz“, erläutert Gerhard Eppler. Denn laut Bundesnaturschutzgesetz dürfen Jungvögel nur vorübergehend und nur dann aufgenommen werden, wenn sie verletzt oder krank, und somit tatsächlich hilflos sind. Der Biologe weist darauf hin, dass Jungvögel, die mit nach Hause genommen werden, selbst bei fachgerechter Pflege deutlich schlechtere Überlebenschancen haben als in der Natur. Die elterliche Fürsorge in der Naturaufzucht kann niemals ersetzt werden, so dass die Handaufzucht immer nur die zweitbeste Lösung ist. Nur bei deutlich geschwächt wirkenden oder wirklich verwaisten Vögeln ist die Handaufzucht zu empfehlen, wie auch in Fällen, in denen durch Unwetter, Baumaßnahmen oder dergleichen der Nistplatz zerstört ist.

Eine hilfreiche Faustregel zu Jungvögeln: „Nestlinge“, also Jungvögel ohne Federkleid, oder nur mit leichtem Flaum, die noch nicht aktiv auf ihren Füßen stehen können sind außerhalb des Nestes hilflos. Sie sollten schnellstmöglich zurück ins Nest und nur, wenn das nicht möglich ist in eine Pflegestation. „Ästlinge“, also flächendeckend befiederte Jungvögel, die bereits aktiv auf ihren Füßen stehen können werden von ihren Eltern auch außerhalb des Nestes versorgt und sollten nur mitgenommen werden, wenn sie verletzt sind.

Pflege bitte nur bei Fachleuten

Gut gemeinte erste Hilfe bei den Jungvögeln kann sich schnell dramatisch auf deren Überlebenschancen auswirken. Daher rät der NABU die Tiere möglichst nicht zu füttern und ihnen auf gar keinen Fall unter Zwang Flüssigkeiten zu verabreichen. Die Tiere sollten an einem ruhigen Ort in einem Karton mit Luftlöchern untergebracht werden. Dabei sollte man ihnen mit einem Handtuch ein kleines Ersatznest formen und eine Wärmflasche (max. 38°C) als Wärmequelle so platzieren, dass der Vogel keinen direkten Körperkontakt mit der ihr hat. Anschließend sollten die Finderinnen möglichst schnell eine anerkannte Auffang- und Pflegestation kontaktieren. Nur dort kann die tiergerechte Aufzucht gewährleistet und die Gefahr der Fehlprägung auf den Menschen minimiert werden. Auffang- und Pflegestation in Ihrer Region können bei den Naturschutzbehörden der Landkreise und kreisfreien Städte oder auch bei Tierärztinnen oder Tierschutzvereinen erfragt werden. Bitte beachten Sie, dass es sich bei den Betreiber*innen der Auffang- und Pflegestationen in der Regel um ehrenamtliche Arten- bzw. Tierschützer handelt, die sich in Ihrer Freizeit um verletzte Tiere kümmern und über begrenzte räumliche Kapazitäten verfügen. Ein Anspruch auf Aufnahme der Tiere besteht daher nicht.

 

So verhelfen Sie Jungvögeln zu einem guten Start ins Leben

Wer Gartenvögeln helfen möchte ihre Jungen erfolgreich aufzuziehen, der sollte auf einen gut strukturierten, naturnahen Garten mit reichlich natürlichen Futterquellen achten. Verstecke in Stauden oder dichtes Gebüsch (gerne auch mit Stacheln und Dornen) bieten sichere Rückzugsorte vor Greifvögeln und Katzen. Wer Katzen hält, sollte diese, wenn im Mai und Juni warnende Altvögel und ausgeflogene Jungvögel zu beobachten sind, nicht nach draußen lassen. „Zumindest sollten Sie drauf achten, dass sich Ihre Katze von Mitte Mai bis Mitte Juli in den Morgenstunden nicht im Freien aufhält. Damit wäre den Vögeln schon sehr geholfen, denn dann sind die meisten gerade flüggen Jungvögel unterwegs“, rät Gerhard Eppler.

PM: NABU

NHR

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